Hans und Hannah auf der Hase - Laudatio auf einen Fluss
Von Wilfried W. Meyer stammt eine Hasegeschichte, die er anlässlich der Verleihung des "Hasetalers" verfasst hat. Er verfolgt - wie er schreibt - als ein Hasetaler von der Quelle bis zur Mündung das Engagement für die Revitalisierung und Wiederentdeckung der Hase mit großem Vergnügen. Lesen Sie hier den Anfang der Geschichte. Wer den Text ganz lesen möchte, kann ihn sich unten in kompletter Länge herunterladen. Außerdem bieten wir eine Fassung zum Anhören an: Elisabeth Michel, Präsidentin des Schweizer Vereins Osnabrück und Chefin der Auslandschweizer-Organisation (ASO), hat die Geschichte von Wilfried W. Meyer vorgelesen.
Hans und Hannah auf der Hase
„Komm, ich zeig dir meinen Fluss!“, sagte er so einladend wie möglich. Denn Hans, der feinfühlige Diplombibliothekar aus Überzeugung, und Hannah, die junge Museumspädagogin aus Hannover, kannten sich nun schon 17 Tage, und es war höchste Zeit, dass endlich etwas geschah. Hannah, die Zugezogene, hatte hier ihre erste Stelle angetreten und tat sich schwer mit Land und Leuten, manchmal auch mit ihm, obwohl er sich alle Mühe gab, ihr das Einleben zu erleichtern.
Fast jeden zweiten Tag waren sie miteinander ausgegangen, zum Italiener, ins Kino, zum Chinesen, zu einem Dia-Vortrag über die Innere Mongolei, zum Griechen - selbst ihrer Einladung ins Museum war er bereitwillig gefolgt und hatte sich von ihr durch die Wanderausstellung Das Fahrrad als Motor des Fortschritts führen lassen.
Hannah suchte seine Gesellschaft, und Hans durfte glauben, dass seine Zuneigung erwidert wurde. Zugleich aber spürte er auch diese Distanz gebietenden Schwingungen, die Hannah umgaben wie ein unsichtbares Geflecht aus Stolperdraht. Und zu mehr als tastenden Gesprächen, unsicheren Blicken und zufälligen Berührungen, etwa wenn er ihr seinen Regenschirm anbot, war es bislang nicht gekommen.
Immer blieb da eine Art Sicherheitsabstand, ein eigenartiges Fremdeln in letzter Sekunde, das all seinen Annäherungsversuchen widerstand und doch auf den nächsten nur zu warten schien. Auf Hans wirkte es wie der kokette Charme einer Unnahbaren, den er lange als immer neue Herausforderung empfunden hatte. Aber jetzt musste endlich etwas Entscheidendes geschehen, etwas Richtungweisendes.
Über den Autor
Wilfried W. Meyer ist gebürtiger Osnabrücker und lebt heute als Lehrer, Autor und Übersetzer in Meppen. Er veröffentlichte zahlreiche literaturkritische Arbeiten, Porträts, Features, Glossen, literarisch-essayistische Reisefeuilletons sowie eigene literarische Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Anthologien und im Rundfunk.
Kurzgeschichte "Hans und Hannah auf der Hase" zum Download (pdf)
fileadmin/eigene_Dateien/051_Hase/Hans_und_Hannah_Elisabeth_Michel.mp3Audiofassung: Elisabeth Michel liest "Hans und Hannah auf der Hase" vor (47 MB, mp3)